Ich kauf grundsätzlich keine Motorräder neu, daher war ich auf der Suche nach einer Gebrauchten. Das Angebot ist dünn, weil die Tuareg eher kein Verkaufsschlager ist, was auch an der seltsamen Frontansicht liegen könnte - schon wieder eine Parallele zur Versys

Weil ich nichts besseres zu tun hatte bin ich Samstag trotzdem hingefahren. Es war schönes Wetter und die Versys hat mich treu hingetragen, vielleicht in der Hoffnung, dass sie bei mir bleiben darf, wenn sie ihren Dienst gut verrichtet. Der Händler ist typischer Glaspalast, zur Begrüßung gibt's Pralinen, die Gebrauchtfahrzeuge stehen im Keller, bitte sehr. Und so stand sie da.
5200 km, EZ 05/23, ohne sichtbare Gebrauchsspuren, dafür mit Koffern, Topcaseträger, Hauptständer, Quickshifter, Kettenöler (zum drehen) und dem sehr wichtigen doppelten-Kuhfänger-Sturzbügel-Hauptständer-Ensemble. Auf den zweiten Blick sehe ich, dass die Sitzbank nicht original ist, sondern tief, und dass die Koffer von Kappa sind, und nicht von Givi, wie in der Anzeige beschrieben. Ich krieche etwas am und unterm Motorrad her, finde exquisite Details italienischer Verarbeitungskunst, wie diese Dichtung...
... und dann spreche ich auch einen Verkäufer an, der daran zu erkennen ist, dass er als einziger im Raum keine Motorradschuhe trägt. Er stellt fest, dass wir telefoniert haben. Ich stelle fest, dass die Kommunikation aufgrund Dialekt seinerseits auch real eher schwer ist. Das ist so ein Bayern-Ding: Du kannst 1 Stunde in irgendeine Richtung fahren, und schon verstehst du Einheimische nicht mehr. Und das gilt für jeden Punkt in Bayern. Ich kann ihn aber auf die Kappa-Givi-Nummer aufmerksam machen (ist wie Skoda und VW). Dass die Sitzbank nicht Original ist, glaubt er mir nach etwas Bildersuche, obwohl er drauf besteht, dass Aprilia draufsteht. Eine niedrigere Sitzbank brauche ich nun wirklich nicht, und so gehen wir zu einem Schreibtisch. Bzw. er geht, und ich laufe mal auf Verdacht hinterher, denn Kommunikation, siehe oben. Dort folgt dann eine Preisverhandlung von 8700 auf 8450 Euro, wobei er mir zwischendurch eine F900XR andrehen will, was ich mit Hinweis auf geplante Norwegen-, Schweden- und Islandtouren abwimmeln kann, ohne dabei meine ungefilterte Meinung über BMW-Motorräder preis geben zu müssen, was wahrscheinlich zu meinem beschleunigten Verlassen der Örtlichkeit führen würde. So aber bleibt es zivil, ich unterschreibe einen Kaufvertrag und bekomme die Papiere. Den Preis überweise ich später, vor der Abholung. Sie machen das Motorrad noch "fertig" (?).
Ja, Kaufvertrag ohne Probefahrt. Ich kenne das Modell sehr gut, und ich hoffe einfach mal, dass sie kein Motorrad ohne Probefahrt gekauft haben. Ich habe keine Spuren von Undichtigkeiten entdecken können, auch nicht an der Dichtung à la Mario. Der Händler ist weit genug weg, dass er mich nicht wiedersehen wird, wenn es kleinere Probleme gibt, und für größere Probleme habe ich die Aprilia-Werksgarantie bis Mai 2025, die ich dann noch verlängern kann.
Den Rest des Tages mache ich eine vergnügliche Nachmittagstour bei 30° hier in dieser schön dünn besiedelten und einigermaßen hügeligen Gegend. Den Sonntag verbringe ich dann mit dem Kauf einer gebrauchten Originalsitzbank (105 Euro) und wichtigem China-Zubehör (150 Euro), z.B. Heizgriffe, Sitzheizung, Ersatzhebel, Sturzbügelschützer, Displayfolie, Bobbis und Tankpad. Für die seltsame Front-Optik ist mir auch etwas eingefallen, aber das ist eine Überraschung.
Ich habe noch nie soviel Geld für ein Motorrad ausgegeben, aber ich freue mich

Jetzt beginnt der Spaß mit der Zulassungsstelle, kurze Kennzeichen nicht online reservierbar, auf ewig ausgebucht, Terminvorschlag in 4 Wochen...